Es wurde absolut verrückt. Aus dem Politik-Umfeld wurden Stimmen laut, dass ein Eliteinstitut nicht in eine Bergbauregion passen würde. Also doch kein Strukturwandel?
Dann wurde lapidar mitgeteilt, dass alle Ziel-2 Mittel jetzt für den Bergbau benötigt würden. Es war also klar, dass nach dem 3. Quartal 2001 keine Gelder für Qualifizierungsmaßnahmen mehr bereitstehen würden.
Ende 1999 hatten wir die Flexibilität der Qualifizierungen weiter erhöht und die Module von drei auf zwei Monate gesenkt. Zirka 25% der Teilnehmer befanden sich immer im Praktikum. Fast alle wurden anschließend in Arbeit übernommen. GraTeach hatte hierdurch den Nachteil, dass in den Projekten Teilnehmer fehlten. Das Praktikum war aber für die hohe Vermittlungsquote wichtig. Alle Qualifizierungen waren am 14.05.1998 mit einem Stundensatz je Teilnehmerstunde von 9,90 DM zugesagt worden. Ende 1999 teilte ich dem Landesversorgungsamt als bewilligender Behörde mit, dass GraTeach wegen der extremen Vermittlung von über 8 Prozent Teilnehmern je Monat (4,6 von 55) Einnahmeausfälle hatte. Trotz Warteliste konnten neue Teilnehmer ohne Einbußen der Qualität (Bewerbungsgespräch bei mir) nicht ohne Einnahmelücken so schnell nachrücken. Eine Erhöhung des Stundensatzes im Rahmen des zugesagten Etats für GraTeach gab es nicht. Wohl aber konnte für die Teilnehmer das Unterhaltsgeld um die nicht ausgezahlten Unterhaltsgelder erhöht werden?! Für neue Multimedia-Maßnahmen anderer Träger (ohne unsere aufwendige Kerntechnik) war am 17.5.2000 der Stundensatz auf 13,30 DM pro TN-Stunde festgelegt worden.
In diesem Zusammenhang muss ich den Teilnehmern mein großes Lob aussprechen. Unmöglich konnten die Fachbereichsleiter das gesamte Projektwissen besitzen. Die großen Projekte liefen über mehrere Teilnehmergenerationen. Es lag also an den ausscheidenden Teilnehmern, ihr Know-how an die Nachfolger weiterzugeben. Hier hat es nie ein Problem gegeben.
Ich musste, bevor ich bei GraTeach aus der Verantwortung ging, die Zukunft von GraTeach weitgehend sicherstellen. Der wichtigste Punkt war der Mietvertrag. Ich erreichte am 03.05.2000 beim Geschäftsführer der DMT als Hauptmieter der städtischen Immobilie eine mündliche Zusage, die Räume von GraTeach zu übernehmen, sowie einen Know-how Transfer der erfolgreichen Qualifizierungen an die DMT vorzunehmen. Die Konditionen hierfür wurden noch nicht vereinbart. Auch habe ich darauf hingewiesen, dass die von GraTeach für 100.000 Euro verlegte strukturierte Vernetzung ohne eine entsprechende Dokumentation für Dritte wertlos ist. Ich konnte also davon ausgehen, dass hier alles geklärt war, schließlich sollten in Zukunft 100% der Ziel 2-Mittel an den Bergbau gehen. Die an berufliche Bildung zweckgebundenen Räume wurden also gebraucht.
Finanziell war GraTeach bis zum Ende bei Einhaltung gering kalkulierter weiterer Projekteinnahmen abgesichert, allerdings nur, wenn man diese „völlig unsinnige“ Vermittlung der Teilnehmer in Arbeit in den Griff bekam?!
Gleichzeitig führten Professoren mit mir ein Erstgespräch, ob GraTeach nicht Universität werden wollte. Dortmund war interessiert, Qualifizierungen durchzuführen. (Die Absage über eine Förderung in Dortmund kam erst nach der GraTeach Insolvenz. Ich bin bis heute Gutachter bei start2grow Dortmund).
Seit Ende 1999 war GraTeach Partner bei einem Konsortium, welches aus Mannesmann Mobilfunk, Deutsche Bank und anderen Partnern bestand. Es ging um die Gründung der Shopping City AG. Auszug aus dem Geschäftsplan von Mannensmann Pilotentwicklung, Mike Meyer: „Shopping City AG wird Betreiber von virtuellen Marktplätzen im Internet. Diese werden jeweils die Einzelhandelslandschaft einer Stadt virtuell darstellen. Die E-Commerce Infrastruktur des jeweiligen Marktplatzes wird den ortsansässigen Einzelhändlern gegen Gebühr sichergestellt.“ Die Aufgabe der GraTeach war mit „Webprogrammierung und Suchmaschine“ umschrieben.
Ich hatte keinen direkten Kontakt zu Herrn Esser. Als aber die feindliche Übernahme durch Vodafone begann, fragte ich über meinen Ansprechpartner nach, ob Interesse an einem Mannesmann Rettungsplan bestehen würde. Es kam eine Interessen-Bekundung zurück. Am 09.01.2000 hatte ich ein Gespräch mit Bürgermeister Landscheidt, ob er bereit wäre, eine Idee zu Bundeskanzler Gerhard Schröder hochzuschieben. Es sagte grundsätzlich zu, wollte jedoch eine Rückversicherung haben. Nach erneuter Rückfrage bei Mannesmann kam, man solle den Innovations-Vorstand der Deutschen Bank mit dem Stichwort „citythek“ anrufen. Das sollte gemäß Landscheidt der Vorstand eines regionalen Finanzinstituts machen. Ich bekam nie eine Rückmeldung, ob er das gemacht hat. Die Idee war einfach und baute auf der citybis-Idee auf. Wenn alle öffentlichen Institutionen in eine gemeinsame Plattform ihre öffentlichen Daten einpflegen, gibt es ein Grundrauschen, das ausreicht, damit Bürger auf den Umweg zu ausländischen Suchmaschinen verzichten, bzw. Anbieter ihre Informationen hier einpflegen. Das hätte keine Steuergelder gekostet, aber Mannesmann Mobilfunk retten können. Aus heutiger Sicht war ich sicher naiv, dass man die öffentliche Hand auf den digitalen Kurs bringen könnte. Die Vodafone Übernahmen war dann ja auch schnell vollzogen.
Es gab ein halbes Dutzend Projektanfragen in ähnlicher Größenordnung, auch vom KVR und der Bezirksregierung, im Zusammenhang mit meiner Patentanmeldung. Dem kam entgehen, dass wir neu die Qualifizierungsrichtung „Führungskraft e-commerce“ einführten. Mit der kaufmännischen Ausrichtung beteiligte ich die Teilnehmer an der Erstellung von Geschäftsmodellen entsprechend der Anfragen.
Der Wechsel zur Text-Bild-Raum GmbH, dann umbenannten getTIME.net GmbH, verzögerte sich, weil ich einfach keine Zeit hatte, mich damit zu beschäftigen. Ein Problem war die www.citythek.de. Diese konnte ich unmöglich zu getTIME.net rüber holen. Schließlich war sie in den Köpfen vieler fest mit GraTeach verknüpft. Auch hätte ich nicht gewusst, welchen Wert ich hier hätte ansetzen sollen.
Schließlich wurde ich am 1.7.2000 Geschäftsführer der getTIME.net Gesellschaft für Prozessoptimierung GmbH in Krefeld und gab gleichzeitig die Mehrheit der Geschäftsanteile und die Geschäftsführung bei GraTeach ab. Bis in 2001 hinein wurden meine Ressourcen in Großprojekten gebunden, von denen nachher keines zum tragen kam!? Für die Teilnehmer waren diese Projekte natürlich ideal. Ideen aus den Geschäftskonzepten wurden auch im citythek.de Projekt berücksichtigt. Die Programmierung und Implementation meines Suchmaschinenpatents übernahmen drei bei der getTIME.net GmbH angestellte Programmierer. citythek.de war also der erste Anwendungsfall der sogenannten „finder-Technologie“. Insofern dachte ich immer auch bei Gesprächen eine Vermarktung der www.citythek.de für GraTeach mit an. Außer den Teamsitzungen mit Teilnehmern zu den auch für getTIME.net relevanten Projekten, hatte ich mich auch noch verpflichtet, mich um einen weiteren Gesellschafter der GraTeach GmbH für den Bereich Agentur/ Vertrieb zu kümmern.
Auch an der Route Industriekultur waren noch nicht alle Arbeiten beendet.
Um noch einmal zu zeigen, wie wenig von den in 2000 schon bekannten Anforderungen an die digitale Gesellschaft bis heute umgesetzt sind, finden Sie in Anlage das Konzept einer Onlineakademie, siehe http://grateach.de/wp-content/uploads/2020/08/Online-Akademie-2020-08-28_120510-1.pdf .