1997 – Die modulare Bildungsrevolution

Wir bezogen das neu gebaute Qualifizierungszentrum. Die Infrastruktur musste erst einmal technologiefähig gemacht werden. Über 9 Kilometer strukturelle Verkabelung wurde von uns auf unsere Kosten für fast 100.000 DM gelegt. Eine Vernetzung war auch damals bereits in Büroneubauten Standard, wohl aber nicht in einem Hightech-Qualifizierungszentrum! Grün wird der Punkt Infrastruktur nie erreichen. Im Gegensatz zum vorherigen Standort fehlt eine versprochene Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Auch Wohnraum für die Teilnehmer gab es in Kamp-Lintfort keinen. Die Teilnehmer mussten täglich mit dem Auto anreisen. Dabei mussten sie darauf achten, dass ihr Wohnsitz im Ziel-2 Gebiet (strukturschwach) lag, eben da, wo es wenig Wohnraum gab. Zu anderen Bezügen wie Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe durften sie auch nicht berechtigt sein. Dafür erhielten sie ebenfalls aus Ziel-2 Mitteln ein Unterhaltsgeld. GraTeach hatte hiervon nichts, außer Arbeit. Denn unsinnigerweise wurde das Unterhaltsgeld über GraTeach ausgezahlt.

7 Jahre hatten wir auf die Fertigstellung des Qualifizierungszentrums gewartet. Mit erheblichen Bedenken und nach der wiederholten Zusicherung, dass die Finanzierung der Qualifizierungen bis zum Ende des Mietzeit sichergestellt wäre, unterschrieb ich den nicht gerade preiswerten, für die berufliche Bildung zweckgebundenen, 10 Jahres Mietvertrag. Ich hatte auf den Passus bestanden: „vorzeitige Aufgabe des gesamten Vertrages ergeben, wird die Vermieterin alles ihr mögliche tun, um die nicht mehr benötigten Räume anderswertig zu vermieten“. Noch am 17.9.1996 wurde uns nur eine auf Grund der öffentlichen Förderung reduzierte Grundmiete in Höhe von 5.36 DM je qm mitgeteilt. Aus dieser Miete in Höhe von 3800,88 DM entstand durch die Nebenkosten schließlich eine Gesamtmiete von 10.070,- DM monatlich.
Die Qualifizierung wurde in Quartalsmodule aufgeteilt. Als weitere Qualifizierung kam die Führungskraft Online-Marketing hinzu. Die Teilnehmer konnten nach einem Quartal die Qualifizierung wechseln. Die Arbeitsaufnahme war nach jedem Modul möglich. Üblicherweise folgte jedoch erst ein Praktikum als für den Betrieb kostenlose Probearbeitszeit.

Die Motivation der Teilnehmer war äußerst hoch. GraTeach arbeitete zum gleichen Stundensatz wie andere Qualifizierer. Die über eine Million teure Kerntechnik sowie die 20 Prozent zu erbringender Eigenanteil mussten durch Projekteinnahmen refinanziert werden. Während andere Qualifizierungsmaßnahmen bei gleichem Stundensatz meist nur im theoretischen Bereich einen Bruchteil unseres Angebots qualifiziert haben, haben wir Teilnehmer möglichst schnell in Projektverantwortung gebracht. Zwischen 3 Monaten und 2 Jahren blieben Teilnehmer bei GraTeach. Damit sich niemand zu lange bei GraTeach aufhielt, wurden Teilnehmer bei längerer Verweildauer immer mehr in Projektverantwortung genommen. Es kam für jeden der Zeitpunkt, wo die Arbeitsaufnahme weniger anstrengend war, als weiter Teilnehmer zu bleiben. Die damalige Informationsbroschüre finden sie hier: http://grateach.de/wp-content/uploads/2020/08/Quali-1997-2020-08-26_111449.pdf .

Noten habe ich abgeschafft. Anstelle dessen machten die Teilnehmer einen Vorschlag für einen Zeugnistext. Dieser wurde dann vom Fachbereichsleiter (so hießen jetzt die Dozenten) abgezeichnet. War eine Formulierung unpräzise, fragte der Fachbereichsleiter bei anderen Teilnehmern der Gruppe nach.

Ende 1997 eröffneten wir eine Zweigstelle in Krefeld, Ostwall 49a. Das Publikum konnte Tag und Nacht kostenlos am Schaufenster in der citythek.de surfen. In Krefeld boten wir die Qualifikation Telearbeitsfachkraft an. Da wir uns hiermit zu sehr von unserem Kerngeschäft der Akademikerweiterbildung entfernten, stellten wir die Arbeit in Krefeld nach einer Qualifikation wieder ein.

Bereits Anfang 1997 hatten wir einen Dreijahresplan für die Entwicklung der citythek.de aufgestellt, an den wir uns nachher auch gehalten haben. Wenn auch mit einem regionalisierten Konzept, waren damals viele Funktionen heutiger Global Player berücksichtigt. Citywebbed erfüllte viele Funktionen von Facebook (Gründung 2004) und Suchfunktionen (Google Unternehmensgründung 1998). Die e-Commerce Funktionen der Logistik der letzten Meile wurden nicht umgesetzt, da die Marktdurchdringung nicht schnell genug war (Amazon Gründung 1994, 1998 in Deutschland). Einige damals angedachte Tools, wie ein von den Behörden gepflegtes Bürgerinformationssystem oder ein Erlebniseinkaufkonzept für regionale Einzelhändler, sind bis heute von keinem anderen Anbieter umgesetzt. Dafür, dass es sich bei der citythek.de um ein Teilnehmerprojekt ohne jeglichen Finanzinvestoren handelte, waren die Ergebnisse beachtlich. Die vollständige geplante Funktionsliste finden Sie hier http://grateach.de/wp-content/uploads/2020/08/citythek-Plan2020-08-26_145219.pdf .

„Surfen über den virtuellen Ostwall“ schreibt die Westdeutsche Zeitung (13.November 1977 von Carsten Döpp). „Wann hat der Friseur geöffnet, wo kann ich ein bier trinken, wo finde ich das nächste Modegeschäft und vor allem wann kann ich dort einkaufen“, diese und ähnliche Fragen lassen sich ab morgen ganz einfach per Maus-Klick beantworten.“

Auf der Imprinta 1997 war ich an dem Expertengespräch: „Multimedia macht Geld, Geschäftsfelder für kleine Druckereien beteiligt“ (Ausrichter Druckwelt).

Nach und nach versammelte sich ein breites Spektrum von Akademikern bei GraTeach als Teilnehmer. Auch Juristen und Volkswirte gab es. Bis zu 10 Prozent waren promoviert. Die vollständige Broschüre zu den 2. Kamp-Lintforter Basisgesprächen finden Sie hier http://grateach.de/wp-content/uploads/2020/08/Bage-22020-08-26_153514.pdf .